Erotischer Tanz, kaum verhüllte Weiblichkeit, gebannte Blicke und viel Raum für Fantasie: Ausziehen kann so anziehend sein! Gemeint sind allerdings weder silikonbrüstige Gogo-Tänzerinnen noch Pole-Dancing, sondern Burlesque, die spielerische Darbietung der langsamen Enthüllung. Die Kunst des Entkleidens liegt voll im Trend und mit ihr eine Mode, die tiefe Einblicke gewährt. Doch was genau verbirgt sich hinter der Mode des Burlesque?
Gerüschte Miederhöschen, glamouröse Kleider, Korsetts und Nylonstrümpfe – spätestens seit dem gleichnamigen Kinofilm mit den Hollywood-Diven Cher und Christina Aguilera ist das Wort „Burlesque“ den meisten Menschen ein Begriff. Dabei verhalf Dita von Teese schon in den 1990er Jahren der Burlesque mit ihren Performance-Shows zum Revival. Um die Spuren des neuen Trends zu ergründen, lohnt es sich den Blick noch einmal hundert Jahre weiter in die Vergangenheit zu richten.
Humor und freche Sprüche – die Wurzeln der Burlesque
Bereits im frühen zwanzigsten Jahrhundert galt die Burlesque als eine beliebte, mit Satire, Ironie und Parodie bereicherte Form der Bühnenunterhaltung. Das Ausziehen der Künstlerinnen galt als tragendes Element der Show, stand jedoch nicht zwangsläufig im Mittelpunkt. Ebenso unverzichtbar für eine gelungene Darbietung waren der erotische Tanz, die frechen Sprüche und die humorvollen Einlagen. Die Künstlerinnen präsentierten dem hochkarätigen Publikum ein Potpourri der Unterhaltungskunst. Hierbei bedienten sie sich verschiedener Elemente aus Varieté, Zirkus, Revue, Vaudevilletheater, Comedy, Tanz und Gesang.
Als Erfinderin der Burlesque gilt die englische Tänzerin Lydia Eliza Thompson – sie wurde ab 1868 als Tänzerin in New York zum gefeierten Star. Mit ihrer Truppe, den „British Blondes“, tourte sie durch ganz Amerika und begeisterte das Publikum mit ihren sexuell überbetonten Darbietungen, gepaart mit Sinnlichkeit und einer gehörigen Portion Humor. Im damals so prüden Amerika galt nackte Haut auf der Bühne bis dahin als absolutes Tabu. Kleidervorschriften sorgten für züchtiges Auftreten: Die Arme der Tänzerinnen mussten stellenweise bedeckt sein und auch die Rocklänge dufte ein bestimmtes Maß nicht unterschreiten. Die hautengen, fein gewebten Netzstrumpfhosen der Tänzerinnen ließen es zu, Bein zu zeigen, ohne nackte Haut zu entblößen. Die Mode der Burlesque entwickelte sich also nicht ausschließlich aus einem ästhetischen Empfinden, sondern auch aus der Not heraus. Sie war ein kreativer Schachzug, um geltende Kleidervorschriften zu umgehen und dennoch aufreizend zu wirken. Doch trotz ihrer Blickdichte stieß die Beinbekleidung an die Grenzen der damaligen Sittengesetze und sorgte für moralische Empörung.
Weiblichkeit stand verehrungswürdig im Vordergrund.
Durch die Pin-Up-Mode der 1950er Jahre wurde die Bewunderung femininer Rundungen weiterhin aufrechterhalten. Kleidung, die mehr erahnen ließ als zu offenbaren, ließ genügend Freiraum für erotische Fantasien. Hollywood-Diven wie Mae West und Marilyn Monroe zeigten sich bevorzugt in hautenger Kostümierung. In eng anliegenden Bleistiftröcken und Strumpfhosen mit Naht wurden die Blicke der Zuschauer auf ihre üppigen Kurven gelenkt. Das Aufkommen des modernen Striptease in Europa allerdings bedeutete das unaufhaltsame Ende der Burlesque. Den Gnadenstoß erhielt der erotische Tanz durch öffentliche Vorführungen von Pornografie in den 1070er Jahren – der Striptease galt nun nicht mehr als zeitgemäß. Doch bereits in der Mitte der Neunziger Jahre erlebte die Burlesque ihr erstes großes Revival. Die wohl populärste Vertreterin war und ist Dita Von Teese, sie gilt als „The International Queen of Burlesque“. Die Tänzerin und Performance-Darstellerin, bekannt durch ihren Strip im Champagnerglas, hat das Spiel mit der Erotik bis zur Vollendung perfektioniert und dem erotischen Tanz zu einem glamourösen Comeback verholfen.
Das passende Styling
Dass Burlesque heute dennoch weniger mit dem Tanz, als mehr mit seiner Mode in Verbindung gebracht wird, liegt sicherlich an der zentralen Bedeutung, die diese für die Burlesque hat. Der Tanz lebt vor allem von seinen Accessoires und dem Styling. Unverzichtbar waren und sind verführerische Dessous, Korsagen, erotische Shapewear, Hüfthalter, Strumpfhosen, Handschuhe und High Heels. Das Ausziehen eines Handschuhes kann mitunter minutenlang zelebriert und als erotische Parodie mit viel Charme, Koketterie und eigener persönlichen Note untermalt werden. Aber auch am passenden Make-up, sinnliche rote Lippen, auffallender Lidstrich und lackierte Fingernägel sowie der perfekt gestylten Frisur darf es nicht mangeln.
Burlesque im Trend – Mode für selbstbewusste Frauen
Inzwischen hat burlesque Kleidung den Weg von der Bühne in unsere Kleiderschränke gefunden. Starke Frauen, die zu ihrer Weiblichkeit stehen, haben den Kleidungsstil für sich entdeckt, denn was Dita von Teese auf dem Catwalk internationaler Fashion-Shows präsentiert, ist für jede Frau zugänglich und absolut erschwinglich. Mit dem wachsenden Trend lassen sich immer mehr Designer von der Sinnlichkeit und dem Glamour der Burlesque inspirieren. Typisch für diese Mode sind kräftige Farben – vor allem Rot und Schwarz sind sehr beliebt. Bevorzugte Stoffe sind Tüll, Spitze, Seide und Satin, aber auch verspieltes Beiwerk wie Glitzer, Federn und Pailletten.
Designer wie Louis Vuitton und Stella McCartney haben die Burlesque-Fashion mittlerweile alltagstauglich gemacht. Kein anderer Modetrend vereint Extravaganz und Schlichtheit derart geschmackvoll miteinander. Taillierte Tops und Lingerie lassen sich ideal mit engen Jeans oder Bleistiftröcken kombinieren. Blusen, Tops, Röcke und Kleider mit liebevollen Details wie Schleifen, Rüschen, Puffärmeln und Bubikragen sind aufregend anders, aber trotzdem dezent. Ein weiterer Vorteil: Um das Spiel mit der Zweideutigkeit optisch in Szene zu setzen, bedarf es keiner perfekten Körpermaße. Die oft kritisierte und übertriebene Schlankheit der Top-Models gilt zum Glück als ein längst überholtes Schönheitsideal. Natürliche Formen und Rundungen sind geradezu erwünscht, denn die Kleidung betont verführerisch, was Frau zu bieten hat. Allerdings bedarf es viel gesunden Selbstbewusstseins, Sinn für Individualität und einer gewissen Vorliebe zur Selbstdarstellung, denn in einem solch reizvollen Outfit kann man sowohl verführerische wie auch neidische Blicke auf sich ziehen.
Autor: Harald Muntendorf, Geschäftsführer des Modeportals Fashionhype.com