Diplomarbeit "Eine Klassifizierung von Geschäftsmodellen im Internet" – Erfolgsfaktoren im Internet

Auszug aus der Diplomarbeit „Eine Klassifizierung von Geschäftsmodellen im Internet„.

2.1 Erfolgsfaktoren im Internet

Im Vergleich zu klassischen Geschäftsmodellen verfügen Internet-basierte Geschäftsmo-delle über differierende Erfolgsfaktoren, die den Erfolg und das Potential des Geschäftsmodells prägen. Da das Internet Techniken und Mechanismen zur Verfügung stellt, die ein völlig neues Herantreten an den Kunden erlauben, basieren die Erfolgsfaktoren für Internet-basierte Geschäftsmodelle vorwiegend auf den interaktiven Möglichkeiten, die das Internet bietet. Im Einzelnen lassen sich folgende technologische und organisatorische Erfolgsfaktoren herausstellen , die auf den nachfolgenden Seiten ausführlich betrachtet werden:

Technologische Erfolgsfaktoren Organisatorische Erfolgsfaktoren

Digitalisierung

Primat der Vernetztbarkeit

Interaktivität

Multimedialität

Erweitertes Supply-Management

Standards Benutzerführung/Navigation

One-to-One-Marketing

Kundenorientierung

Tabelle 1: Technologische und Organisatorische Erfolgsfaktoren im Internet

2.1.1 Technologische Erfolgsfaktoren

Insbesondere aufgrund der weltweiten Verfügbarkeit sowie der weltweit einheitlichen technologischen Plattform ergeben sich ganz spezifische technologische Erfolgsfaktoren für Internet-Geschäftsmodelle.

2.1.1.1 Digitalisierung

Zur Verarbeitung von Informationen ist die Digitalisierung der verfügbaren und neuen Informationen unabdingbar. Digitale Daten bieten im Vergleich zu analogen Daten erheb-liche Vorteile, beispielsweise treten keiner Kopierverluste auf, das Be- und Verarbeiten gestaltet sich wesentlich einfacher und der Zugriff auf den Datenbestand kann auf unter-schiedliche Weise erfolgen.

Sämtliche Informationen müssen für den Einsatz im Internet daher vorwiegend digital produziert und bearbeitet werden. Gleiches gilt für Altbestände, die durch Rückwärtsdigi-talisierung – etwa Scannen, Texterkennung, manuelle Erfassung – für die Verarbeitung auf EDV-Systemen verfügbar gemacht werden müssen .

2.1.1.2 Das Primat der Vernetztbarkeit

Das Medium Internet folgt dem Primat der Vernetzbarkeit , wodurch zahlreiche Produkte vom Kunden allein deshalb bevorzugt werden, weil sie bereits über eine große Verbtreitung verfügen. Das gilt vor allem in Branchen, in denen die Vernetzung von be-sonderer Bedeutung ist. Das Primat der Vernetzbarkeit ist von zwei Faktoren geprägt:

• Kompatibilität: Je mehr Leute beispielsweise eine Sprache sprechen, um so attrak-tiver ist es für alle anderen, diese Sprache ebenfalls zu lernen. Ein einzelnes Telefon oder Faxgerät ist wertlos, Wert und Nutzen steigen mit der Zahl der Anschlüsse. Gleiches gilt für E-Mail.

• Verstärkereffekte: Hierzu gehören Größenvorteile, die sich besonders stark auf die Software-Industrie auswirkten, deren Grenzkosten für den Verkauf zusätzlicher Li-zenzen gegen Null gehen. Ein weiterer Verstärkereffekt gehorcht der Gesetzmäßig-keit „Masse zieht Masse an“. Eine Hardware ist nur attraktiv, wenn dazu passende Software verfügbar ist, umgekehrt ist eine Hardwareplattform für die Softwareindust-rie um so attraktiver, je mehr Nutzer sie hat.

Einige Beispiele unterstreichen die Wichtigkeit des Primats der Vernetzbarkeit. So ist beispielsweise das Scheitern der Betamax-Videorekorder Anfang der 80-er Jahre durch das Fehlen der Vernetzbarkeit zu erklären. Hätte Sony die Betamax-Videotechnologie lizenziert, statt die eigenen Margen durch exklusive Vermarktung zu schützen, hätte sich das gegenüber VHS funktionalere und leistungsfähigere Betamax-Videosystem durchge-setzt. Ein weiteres Beispiel ist das rasche Wachstum der offenen Internet-Plattform im Vergleich zu proprietären Online-Diensten. Obwohl Online-Dienste zunächst technisch ausgereifter und weiterentwickelter waren, konzentrierte sich das Engagement zahlreicher Anbieter auf die offene Internet-Plattform, um nicht in der „proprietären Sackgasse“ der Online-Dienste zu landen. Gleiches galt für Anbieter von CD-ROMs, die der technisch überlegeneren CD-I (CD-ROM Interactive) von Philips den Rücken kehrten.

2.1.1.3 Interaktivität

Im Gegensatz zu Offline-Medien spielt im Online-Medium Internet die Interaktivität zwi-schen Endkunden und Anbietern eine besondere Rolle. Das interaktive Medium Internet erlaubt einen direkten Eingriff des Nutzers in den Informationsablauf und –aufbau. Dank der Verlinkung kann der Nutzer seinen Weg durch das Informationsangebot selbst be-stimmen. Der Aufbau sowie die zeitliche Nutzung der Information ist nicht wie zum Bei-spiel im Offline-Medium TV oder Hörfunk starr vorgegeben; im Internet bestimmt der Anwender, wie lange ein Informationsangebot auf dem Bildschirm erscheint.

Die Interaktion bezieht sich jedoch nicht nur auf die Kommunikation zwischen Nutzer und Betreiber, sondern erfolgt auch zwischen den einzelnen Nutzern. Dank der unterschiedli-chen Techniken zur Kommunikation zwischen den Nutzern – beispielsweise durch Chat-Räume, redaktionell betreute Foren und E-Mail – können die Nutzer ihre Ideen, Kritiken und Anregungen unmittelbar anderen Interessenten mitteilen. Auf diese Weise entstehen zwischen den Nutzern Kommunikationsgeflechte, die zum einen die verfügbare Informa-tionsmenge erhöhen, zum anderen aber auch eine qualitative Verbesserung des Ange-bots bewirken.

Auch der Anbieter erzielt durch die Interaktion des Nutzers erhebliche Vorteile. Er erhält nutzerspezifische Informationen, die sich speichern und zur zukünftigen Produktgestal-tung auswerten lassen .

2.1.1.4 Multimedialität

Multimedia, die „Integration unterschiedlicher Medienformen auf einer Plattform“ ([Schr98], Seite 12), ist ein maßgeblicher Bestandteil moderner Internet-Angebote. In einem multimedialen Medium wie dem Internet gilt es für die Anbieter, die Multimedia-möglichkeiten auszuschöpfen und zur Kundengewinnung und Kundenbindung zu nutzen.

Das gilt vor allem bei der Umsetzung von Offline-Produkten für das Internet, beispiels-weise im Bereich E-Commerce beim Aufbau eines Shopping-Angebots. Die Nutzer er-warten hier keine 1:1-Abbildung eines gedruckten Produktkatalogs, sondern die Ausnut-zung der multimedialen Möglichkeiten des Internets. Ausgefeilte Suchmöglichkeiten, Chat-Räume und Foren für Kunden, Verlinkung der Produkte untereinander, Zusatzin-formationen als Ton- oder Bewegtbildinformationen zu den Produkten sind nur einige Beispiele, wie das Potential der Multimedia-Technologie bei der Umsetzung eines bislang offline verfügbaren Produkts für das Internet genutzt werden kann.

2.1.1.5 Erweitertes Supply-Management

Traditionelle Enterprise-Ressource-Planning-Ansätze erleben durch die Dynamik und Kundenanbindung des Internet eine signifikante Veränderung. Bislang zielen Supply-Chain-Management-Initiativen der Unternehmen darauf, die Einbeziehung ihrer Lieferanten in die eigenen Geschäftsprozesse zu verbessern. Vor dem Hintergrund der Optimierung der Logistik über die klassischen Unternehmensgrenzen hinaus, erzielt eine verbesserte Synchronisation zwischen Hersteller und Produzent eine erhöhte Wirtschaftlichkeit des Produktionsprozesses .

Durch das Internet steht der Kunde mehr und mehr im Mittelpunkt des Produktionspro-zesses, da der Kunde mittels Internet in einem sehr engen Kontakt mit den Produzenten steht. Bei Electronic-Commerce-Anbietern liegt der Schwerpunkt nicht mehr auf der Pla-nung und Steuerung der Güterproduktion, sondern auf der optimalen Erfüllung von Kun-denbedürfnissen. Die klassische Wertschöpfungskette wird ergänzt um die Synchronisa-tion der Informationssysteme mit den Bedürfnissen der Kunden.

Abbildung 1: Das Konzept des erweiterten Supply-Chain-Managements

Die Veränderungen im Supply-Chain-Management bewirken, daß der Kunde via Internet einen direkten Einfluß auf das Produkt und den Produktionsprozeß erhält. Hierdurch geht allerdings die Planbarkeit des Produktionsprozesses stark zurück, da individualisierte Produkte einer anderen Gesetzmäßigkeit gehorchen und sich nicht auf Vorrat produzieren lassen.

Erfolgreiche Electronic-Commerce-Anbieter werden im Rahmen des erweiterten Supply-Chain-Managements ihre Geschäftsprozesse neu definieren und ihre Marktpartner und Kunden auf allen Produktions- und Dienstleistungsstufen – von der Planung bis zur Aus-lieferung – elektronisch integrieren.

Die US-Firma Cisco Systems verfügt beispielsweise nur noch für ausgewählte Produkte über eine eigene Produktion; der Großteil der Produktion erfolgt nach dem Muster des erweiterten Supply-Chain-Managements. Die Annahme eines Kundenauftrags erfolgt über das Electronic-Commerce-Angebot des Unternehmens, dieser wird weitergeleitet an die beauftragte Produktionsfirma, die das fertige Produkt schließlich im Auftrag des Her-stellers an den Endkunden schickt. Als Folge führt die technologische Integration für den Produzenten zu einer Konzentration auf Kernkompetenzen und zur Substitution von Zwi-schenhändlern, Distributions- und Logistikunternehmen.

2.1.1.6 Standards für den elektronischen Handel

Für Electronic-Commerce-Anbieter gehören allgemeine Standards für den elektronischen Handel zu einem der wichtigsten Erfolgsfaktoren. Electronic-Commerce-Angebote der ersten Generation litten im Business-to-Business-Bereich an einer ungenügenden Integ-ration inner- und zwischenbetrieblicher Anwendungssysteme sowie im Business-to-Consumer-Bereich am Fehlen sicherer Zahlungsmethoden.

Zahlreiche Konzepte und Ansätze konzentrieren sich darauf, die Integration unterschied-licher EDV-Systeme zu ermöglichen und konsistente Rahmenbedingungen zum Nach-richtentransport und Interfacing zwischen allen Teilnehmern der Prozeßkette von der Produktion bis zum Verkauf an den Endkunden zu gewährleisten. Das Konzept des Electronic Continuous Replenishment (ECR) stellt das traditionelle Prinzip der offiziellen Bestellung durch den Händler auf den Kopf. Hierbei erhält der Hersteller via Internet di-rekten Zugriff auf die Abverkaufs- und Produktionsdaten, ermittelt so den Bedarf des Händlers und liefert seine Produkte direkt und ohne einen klassischen Bestellvorgang seitens des Händlers.

Die Standardisierungsinitiative des Konsortiums „Open Buying on the Internet“ zielt darauf ab, Standards und Informationsarchitekturen zu etablieren, die mit minimalen ver-traglichen Rahmenbedingungen beliebige Lieferanten-Kunden-Verbindungen ermöglichen.

Auch im Bereich der Zahlungssysteme entwickeln einige Hersteller proprietäre Standards, die sich zu einem weltweiten offenen Standard entwickeln. Der von VISA und MasterCard entwickelte Secure Electronic Transaction-Standard (SET) ist weniger ein gültiges Zahlungssystem, als vielmehr eine Implementierungsrichtlinie, die für eine größere Akzeptanz von Kreditkarten im Internet sorgt. Es ist kreditkartenbasierend und nutzt zur sicheren Transaktion digitale Zertifikate. SET gehört heute zum Zahlungsverfahren mit der größten industriellen Unterstützung.

Aus Platzgründen wurde auf eine ausführliche Darstellung der technologischen Ansätze der Standards verzichtet. Der Vollständigkeit halber seien nachfolgend die aktuellen An-sätze und Konzepte der Internet-Zahlungssysteme kurz aufgeführt.

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