Diplomarbeit "Eine Klassifizierung von Geschäftsmodellen im Internet" – Kundenbindung und Neukundengewinnung

Auszug aus der Diplomarbeit „Eine Klassifizierung von Geschäftsmodellen im Internet„.

4 Kundenbindung und Neukundengewinnung

Ein lukratives Geschäftsmodell, umgesetzt auf einer attraktiven und optisch ansprechenden Internet-Seite ist noch kein Garant für hohe Umsätze. Erst wenn es gelingt, neue Kunden und Besucher zu akquirieren bzw. Kunden langfristig an die Internet-Seite zu binden, kann ein Internet-Geschäftsmodell erfolgreich sein. Für den Kunden muß es stets Anreize geben, ein Internet-Angebot nicht nur einmal, sondern wiederholt zu besuchen, mit dem Ziel, beispielsweise direkt angebotene Produkte zu verkaufen oder für Werbekunden eine möglichst hohe Abrufzahl (PageViews) der Internet-Seiten zu erreichen.

Um eine hohe Kundenbindung zu erzielen, bieten zahlreiche Internet-Anbieter Zusatzdienstleistungen rund um das eigentliche Kernprodukt an. Die zugrunde liegende Idee geht davon aus, daß „ein Produkt seine Existenzberechtigung und seinen Markterfolg aus dem Bedarf des Kunden bezieht“ ([Schr98], Seite 51). Der Bekleidungshersteller Levi Strauss bietet als Zusatzdienstleistung beispielsweise den Service, maßgeschneiderte Exemplare seines präferierten Jeansmodells anzufertigen. Aber auch Zusatzdienstleistungen, die keinen direkten Bezug zum Kerngeschäft haben, können zur Kundenbindung beitragen, etwa das Integrieren von Nachrichten und Wetterberichten auf der Webseite einer Suchmaschine.

Grundsätzlich wird zwischen den drei Komponenten Grund-, Basis- und Zusatzservice unterschieden, wie in Abbildung 24 dargestellt. Den Grundnutzen bietet dabei das Kernprodukt, das die eigentliche Befriedigung des Kundenbedarfs ermöglicht, beispielsweise der Verkauf eines Buches. Zu den zugeordneten Basisdienstleistungen gehören Services wie Produkt- oder Geld-Zurück-Garantien. Zu den Zusatzservices gehören hingegen Dienstleistungen, für die zunächst noch kein konkreter Bedarf vorliegt, die allerdings die Individualität bzw. Leistungsfähigkeit des Produkts steigern und gegenüber Mitbewerbern einen Marktvorteil verschaffen. Im Falle des Internet-Buchhändlers gehören beispielsweise Chats mit Buchautoren oder der zusätzliche Verkauf von themenrelevanten Videos zu den Zusatzservices.

Abbildung 24: Grund-, Basis- und Zusatzservices

Mit dem vermehrten Einsatz von Zusatzdienstleistungen ist allerdings ein Trend verbunden, der aus den Zusatzdienstleistungen Basisdienstleistungen werden läßt und somit den Wettbewerbsfaktor der ursprünglichen Zusatzdienstleistungen verringert . Bei der Einführung des Zusatzservice ist der Nutzen für den Anwender sehr groß, wenn sich jedoch zahlreiche Nachahmer finden, werden die Zusatzservices beim Kunden als Basisdienstleistung empfunden. Als Beispiel seien die beigehefteten CD-ROM’s bei Computerzeitschriften genannt, die bei ihrem ersten Auftauchen einen Wettbewerbsvorteil darstellten; inzwischen gehören beigeheftete CD-ROM’s aufgrund der vielfachen Nachahmung zu den Basisdienstleistungen von Computerzeitschriften.

Allerdings dürfen vor dem Ziel, möglichst viele Zusatzservices anzubieten, nicht die tatsächlichen Bedürfnisse der Kunden außer Acht gelassen werden. Unter Umständen führt die Einführung neuer Zusatzservices zu einer Zunahme an Produktkomplexität , wie es beispielsweise im EDV-Bereich bei der zunehmenden Internetfähigkeit von Textverarbeitungen wie etwa bei StarWriter von Star Division oder Word von Microsoft zu beobachten ist. Hier wurde das Basisprodukt Textverarbeitung um Zusatzfunktionalitäten erweitert, die bereits Spezialprogramme wie Browser bieten.

Die Notwendigkeit zusätzlicher Maßnahmen zur Kundengewinnung und –bindung gilt im Prinzip für alle Internet-Angebote, insbesondere jedoch für Electronic Malls beim Marketing mittels Sonderangeboten. Ursache hierfür sind die Besonderheiten, die das Internet als punktförmiger Markt hervorbringt . In traditionellen Märkten lockt die Werbung mit Sonderpreisen den Kunden in das Kaufhaus, in dem er zunächst verweilt und neben dem Sonderangebot auch weitere Produkte aus dem Sortiment erwirbt. Das Internet folgt jedoch anderen Gesetzmäßigkeiten: Die Märkte wachsen räumlich zusammen und Standortvorteile traditioneller Märkte spielen im virtuellen Markt des Internet keine Rolle. Kunden werden im Internet zwar mit Sonderangeboten ebenfalls auf die Internet-Seite gelockt, allerdings ist die Verweilzeit mitunter sehr kurz, wenn der Kunde nur auf das Sonderangebot focussiert ist. Im Internet haben Kunden die Möglichkeit, ohne Zeitverzug weltweit immer das preisgünstigste Angebot herauszusuchen; aus dem Web-Shopping wird dann ein „Web-Hopping“ ([Her, Sau99], Seite 439). Daher sind vor allem für Electronic Malls – neben Sonderangeboten – zusätzliche Services zur Kundenbindung notwendig.

Im Internet haben sich in der Praxis – neben der klassischen Methode der Werbeschaltung – einige Konzepte zur Neukundengewinnung sowie zur Kundenbindung etabliert, die auf den folgenden Seiten näher erläutert werden. Tabelle 33 zeigt eine Übersicht der Konzepte und unterscheidet, ob die Konzepte sich zur Neukundengewinnung, zur Kundenbindung oder zum Generieren von PageViews zwecks Verkauf von Werbung eignen. Auf den nachfolgenden Seiten werden einige der Konzepte kurz vorgestellt und charakterisiert.

Konzept Geeignet für

Neukundengewinnung Geeignet für

Kundenbindung Geeignet für

Generieren von PageViews

Regionalisierung X X X

Suchmaschinen-Eintrag X

Gewinnspiele X X

Versteigerungen X X X

Kostenlose Attraktionen X X

Newsletter X X

Demoversionen X

Kundenclubs/Communities X

Tabelle 33: Konzepte zur Neukundengewinnung, zur Kundenbindung sowie zur Generierung von PageViews

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