Diplomarbeit "Eine Klassifizierung von Geschäftsmodellen im Internet" – Produkte und Dienstleistungen im Internet

Auszug aus der Diplomarbeit „Eine Klassifizierung von Geschäftsmodellen im Internet„.

2.6 Produkte und Dienstleistungen im Internet

Zur Betrachtung neuer Geschäftsmodelle für das Medium Internet, seien zunächst die möglichen Produkte und Dienstleistungen erfaßt, die über das Internet vertrieben werden können. Dabei stellt sich heraus, daß nicht unbedingt jedes Produkt uneingeschränkt für den Internet-Vertrieb geeignet ist; andererseits existieren auch Produkte und Dienstleistungen, die praktisch erst durch das Medium Internet entstanden sind und sich daher ausschließlich für das Internet eignen.

2.6.1 Eignung eines Produkts für den Online-Vertrieb

Um den Eignungsgrad eines bereits existierenden Produkts für den Vertrieb im Internet zu ermitteln, läßt sich beispielsweise folgende Checkliste heranziehen:

Produkteigenschaft

Sehr gut Neutral Weniger gut

1 Neues Produkt mit guter Eignung für Direkt- bzw. Einzelhandelsvertrieb Vorhandenes Produkt mit guter Eignung für Direkt- bzw. Einzelhandelsvertrieb Vorhandenes Produkt mit geringer Eignung für Direkt- und Einzelhandelsvertrieb

2 Hoher Erklärungsbedarf Mittlerer Erklärungsbedarf Niedriger Erklärungsbedarf

3 Preis bis 120,- DM Preis zwischen 120,- DM und 400,- DM Preis über 400,- DM

4 Hoher Werbeetat Durchschnittlicher Werbeetat Niedriger bzw. kein Werbeetat

5 Geeignete technische und organisatorische Infrastruktur vorhanden Technische und organisatorische Infrastruktur kann angepaßt oder extern geschaffen werden Keine technische Infrastruktur und keine Möglichkeit zur Auslagerung vorhanden

6 Hochwertiges, neues Produkt Funktionales, eingeführtes Produkt Produkt zweifelhaft oder am Ende des Produktlebenszyklus

7 Attraktives Preis-/Leistungsverhältnis Durchschnittliches Preis-/Leistungsverhältnis Hochpreisiges Produkt mit schwieriger Nutzendarstellung

8 Referenzen (z.B. Testberichte) vorhanden Referenzen können erstellt werden Keine Referenzen vorhanden

9 Produkt kann mit Text und Standbild erklärt werden Produkterklärung erfordert Bewegtbild Produkterklärung schwierig, nur voll multimedial möglich

10 Netzanbindung des Unternehmens leistungsfähig Netzanbindung des Unternehmens vorhanden, ist aber anzupassen Netzanbindung nicht vorhanden oder im Planungsstadium

Tabelle 7: Checkliste für den Online-Eignungsgrad eines Produktes

Im ersten Schritt gilt es, die Produktionnovation sowie dessen Eignung für den Direktvertrieb bzw. die Distribution über den Einzelhandel zu untersuchen. Idealerweise eignen sich für den Online-Vertrieb neue Produkte, die sich für den Direktvertrieb eignen bzw. dem Fachhandel aufgrund des hohen Erklärungsbedarfs bzw. ihrer vielfältigen Konfigurationsvarianten nutzen. Hierzu gehören beispielsweise selbst konfigurierbare PC-Systeme, die der Kunde nach seinen eigenen Wünschen zusammenstellt, wie sie bereits erfolgreich von den Firmen Dell oder Apple sowie dem Bekleidungshersteller Levi Strauss angeboten werden. Die parameterisierbaren Produkte haben zudem für das Marketing sowie die Fertigung einen positiven Nebeneffekt, da die Produkte unter Umgehung von Händler und Vertrieb in kürzester Zeit gefertigt werden. Zudem erhält der Hersteller vom Kunden direkt ein Kundenprofil, das für zukünftige Marketingaktionen von Nutzen sein kann .

Auch der Preis des Produkts spielt eine große Rolle für einen geeigneten Online-Vertrieb. Solange sich noch keine Zahlungssysteme für Kleinstbeträge zwischen 0,- DM und 5,- DM etabliert haben , lassen sich Produkte im Niedrigpreissegment nur schwer vermarkten. Artikel im Pfennigbereich lassen sich nicht wirtschaftlich sinnvoll über Kreditkarte abrechnen, da die Evaluierungs- und Transaktionskosten für Kreditkartenbeträge mit ca. 0,50 DM bis 1,- DM je Evaluierung oftmals über dem Verkaufspreis liegen. Eine Alternative bieten Kundenkonten, über die die Beträge online abgebucht werden, was auf der Seite des Kunden allerdings wieder eine zu überwindende Hemmschwelle aufbaut.

2.6.2 Produktkategorien

Das Spektrum der möglichen Produkte und Dienstleistungen, die als Grundlage für ein neues, innovatives Internet-Geschäftsmodell geeignet erscheinen, lassen sich in vier Kategorien zusammenfassen , die im folgenden näher erläutert werden:

• Offline-Produkte

• Online-Produkte

• Hybrid-Produkte

• Dienstleistungen und Informationen

2.6.2.1 Offline-Produkte

Das quantitativ größte Produktpotential bieten Offline-Produkte, die bislang über klassische Distributionskanäle vertrieben wurden. Hierzu gehören praktisch alle Produkte, die traditionell auch über den klassischen Einzelhandel erworben werden können. Allerdings eignet sich nicht jedes Produkt gleichermaßen für den Vertrieb im Internet. Eine Umfrage des Internet-Angebots Kostenlos.de zum Thema Online-Shopping zeigte, daß vor allem Bücher, Musik-CDs, CD-ROMs sowie Eintrittskarten im Internet nachgefragt werden.

Abbildung 14: Bücher und Musik-CDs liegen in der Gunst der Käufer ganz oben

Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine Analyse der Kaufobjekte im Internet von Nielsen. Auch hier stehen Computer/Software, Entertainment und EDV-Hardware/Consumer Electronics an erster Stelle:

Abbildung 15: Kaufobjekte im Electronic Commerce (Quelle: ACNielsen, 1997/1998, in [Schr98], Seite 43)

Allerdings haben im Internet auch Nischenanbieter eine Chance, lukrative Marktsegmente mit Nischenprodukten zu besetzen. Derzeit ist im Internet ein bekanntes Gründerzeit-Phänomen zu beobachten: Ein Kuchen, der noch gar nicht existiert, wird bereits verteilt. Internet-Neulinge, die sich durch hohe Motivation und große Entscheidungskompetenzen auszeichnen und oftmals auch direkt am Unternehmen und seinem Erfolg beteiligt sind, besetzen bereits Marktsegmente, die sich mittelfristig zu lukrativen Einnahmequellen entwickeln können. Daher sind der unternehmerischen Kreativität beim Einstieg in den Internet-Vertrieb derzeit kaum Grenzen gesetzt und erlaubt auch Kleinstfirmen die Erschließung von Marktsegmenten; selbst mit Produkten, für die die Internet-Gemeinde auf den ersten Blick nicht unbedingt als ideale Zielgruppe erscheint. Beispielsweise ist es erstaunlich, daß kleine Firmen wie HotHotHot oder Florida Fruit Shippers mit Nischenprodukten wie Saucen und exotischen Früchten mittlerweile den größten Teil ihres Umsatzes im Internet und nicht mehr im angestammten Ladengeschäft erzielen.

2.6.2.2 Online-Produkte

Für den Vertrieb im Online-Medium Internet geradezu prädestiniert sind Produkte, die im direkten Bezug zum Internet stehen und dort beispielsweise produziert, vertrieben und genutzt werden können. Hierzu gehören beispielsweise folgende Produkte:

• Internet-Software: Beispielsweise kostenpflichtige Internet-Tools wie Auswertungsprogramme (z.B. Webtrends), E-Mail- und Web-Serversoftware (z.B. Microsoft Exchange Server oder Netscape FastTrack) oder Web-Gestaltungsprogramme (z.B. Microsoft Frontpage).

• Internet-Hardware: Hardware-Produkte, die speziell für das Medium Internet produziert wurden und beispielsweise die Anbindung von Unternehmen an das Internet ermöglichen oder unterstützen. Hierzu gehören Netzwerkprodukte wie Hubs, Switches, Router oder Netzwerkkarten sowie Hardware für den Betrieb von Webservern, beispielsweise Serversysteme, unterbrechungsfreie Stromversorgungen oder Hardware zur Ausstattung von Serverräumen.

• Online-Spiele: Spielesoftware, die ausschließlich im Internet spielbar ist und um die sich bereits eine umfassende Spieler-Community gebildet hat, beispielsweise Ultima Online oder Half Life Team Fortress Classic . Bei reinen Online-Spielen werden Umsätze nicht nur durch den erstmaligen Verkauf der Software generiert, sondern zusätzlich durch monatliche Grundgebühren oder volumen- bzw. zeitabhängige Gebühren. Bei Ultima Online beträgt die monatliche Grundgebühr für die Teilnahme am Spiel 9,95 US-Dollar. Im Juli 1999 verzeichnete Ultima Online weltweit über 100.000 aktive Spieler.

2.6.2.3 Hybrid-Produkte

Neben reinen Offline- bzw. Online-Produkten spielen auch Hybrid-Produkte, die beide Produktarten miteinander vereinigen, eine zunehmende Rolle. Als Hybrid-Produkte können Produkte genannt werden, die als Offline-Produkt separat nutzbar sind, aber durch die Anbindung an das Internet einen Zusatznutzen erhalten. Hierzu gehört zum Beispiel Spielesoftware, die das Medium Internet optional als Kommunikationsplattform für Spieler nutzt, beispielsweise Microsoft Flugsimulator oder Formula 1 Racing. Die Spiele sind auch einzeln spielbar, durch die Verbindung zum Internet können allerdings mehrere Spieler online gegeneinander oder miteinander spielen.

Ein weiteres Beispiel sinnvoll eingesetzter Hybrid-Produkte sind Archiv-CD-ROMs oder PKW-Navigationssysteme, die offline als Archivmedium genutzt werden können und online via Internet aktualisiert und ergänzt werden. Der Käufer erwirbt damit ein vollwertiges Offline-Produkt, das durch eine Internetanbindung einen Mehrwert erfährt.

Gleiches gilt beispielsweise für den Handheld Organizer PalmVII von 3com. Der für den US-amerikanischen Markt entwickelte Handheld-Computer ist separat als persönlicher Organizer einsetzbar. Dank einer drahtlosen Internet-Verbindung kann der Anwender aus dem Internet aktuelle Nachrichten aus unterschiedlichen Sparten empfangen oder E-Mails verschicken und empfangen.

2.6.2.4 Information als Produkt

Die Information als nichtmaterielles Produkt wird traditionell in Form von gedruckten Werken, Beratungsdienstleistungen, Lizenzen etc. gehandelt. Das Trägermedium für die Information macht dabei oft einen Großteil der entstehenden Kosten aus, beispielsweise bei Tageszeitungen. Informationen im Internet benötigen kein Trägermedium, da die Information in digitaler Form vorliegt; daher eignet sich das Internet sehr gut für die Veröffentlichung, die Verteilung und den Verkauf von Informationen.

Informationen sowie die Aufbereitung von Informationen ist die Produktkategorie, in dem „das Business der Zukunft“([Schr98], Seite 26) gesehen wird. Einer Studie des Marktforschungsinstitut IDG zufolge wird der internetgestützte Informationshandel im Jahr 2001 weltweit ein Volumen von 5,6 Milliarden US-Dollar erreichen.

Informationen liegen im Internet in unterschiedlicher Form vor, beispielsweise als Text-, Grafik-, Bild-, Film- oder Ton-Information und ist unterschiedlich aktuell. Die Spanne der Aktualität reicht von minutenaktuellen Börseninformationen bis zu veralteten Informationen auf seit mehreren Jahren nicht mehr aktualisierten Internet-Seiten. Hierbei handelt es sich in der Regel um private Internet-Seiten, die zu Beginn mit viel Elan und Enthusiasmus aufgebaut, aber im weiteren Verlauf nicht mehr gepflegt wurden. Da jeder Internet-Teilnehmer Informationen in das Internet einspeisen kann, ist in einigen Fällen die Glaubwürdigkeit bzw. der Wahrheitsgehalt der Informationen nur schwer überprüfbar. Das Stärken-/Schwächenprofil in Abbildung 16 zeigt unterschiedliche Kriterien zur Beurteilung der Qualität von Internet-Informationen. Hierbei zeigt sich, daß die Stärken der Internet-Informationen in den Bereichen Aktualität, Meinungsvielfalt sowie Forschungs- und Praxisgehalt liegen. Schwächen ergeben sich allerdings in den Punkten Strukturiertheit, Glaubwürdigkeit und Sicherheit.

Abbildung 16: Stärken-/Schwächenprofil von Internet-Informationen

Die reinen Informationen sind im Internet als Produkt nur schwer zu verwerten; erst durch einen sinnvollen Kontext ergibt sich ein erfolgreiches Geschäftskonzept zur Vermarktung von Informationen. Hierbei gilt es, aktuelle, nachgefragte Inhalte oder seriöse Brands zu bündeln. Entsprechend dem Postulat „Content is King“ ([Föck99], Seite 284) sehen vor allem Medienunternehmen die Multimedia- und Internet-Märkte als neuen globalen Absatzmarkt für ihre bisherigen und zukünftigen Angebote. Allerdings gelten nur Inhalte mit Alleinstellungsmerkmalen als verwert- und vermarktbar . Wer im Konkurrenzkampf der Medien und Inhalte überleben will, muß Markenprofile anbieten, da ein Großteil der angebotenen Informationen keine „Unique Selling Proposition“ ([Föck99], Seite 287) besitzt. Für den Konsumenten gibt es für Informationen ohne Alleinstellungsmerkmal zahlreiche Alternativen; das bloße Bereitstellen der Informationen bietet keine Erfolgspotentiale. Im Vordergrund steht statt dessen die verlegerische und redaktionelle Leistung bei der Aufbereitung von Information, d.h. die zielgruppenorientierte Bündelung und Aufbereitung der Roh-Informationen, ergänzt durch eine benutzerfreundliche Navigation durch das Inhaltsangebot.

Der Vermarktung von Informationen im Internet steht allerdings das Problem gegenüber, daß Internet-Nutzer – vor allem aus den Anfängen des Internet – es gewohnt sind, sämtliche Angebote im Internet kostenlos nutzen zu können. Diese „Free-Lunch-Mentalität“ ([Her, Sau99], Seite 106) erschwert die kostenpflichtige Vermarktung von Informationen. Lediglich das Finanzmagazin Wall Street Journal konnte einen kostenpflichtigen Abonnement-Dienst für die Online-Ausgabe des Wall Street Journals etablieren und bis heute aufrecht erhalten. Zu den weiteren erfolgreichen Vermarktern von kostenpflichtigen Informationen gehören kommerzielle Datenbanken wie Genios (http://www.genios.de), Marktforschungsinstitute wie DataQuest (http://www.dataquest.de) oder die Online-Ausgabe des Nachschlagewerks Encyclopedia Britannica (http://www.eb.com).

Einige Versuche für einen kostenpflichtigen Abruf von Informationen im Internet scheiterten und wurden innerhalb kürzester Zeit wieder eingestellt oder wieder auf einen kostenlosen Abruf umgestellt. Das Internet-Magazin „Slate“ von Microsoft (http://www.slate.com) war nur kurze Zeit kostenpflichtig. Bereits nach wenigen Monaten war das Angebot für Slate-Leser wieder kostenlos. Insbesondere im Bereich tagesaktueller Nachrichten und Entertainment-News erwartet der Internet-Benutzer stets einen kostenlosen Zugang zu den Informationen.

Die meisten Online-Magazine im Internet wie Online-Today (http://www.online-today.de) oder FirstSurf (http://www.firstsurf.de) bieten die Informationen daher kostenlos an und finanzieren sich über andere Einnahmequellen wie Werbung, Kooperationen oder Provisionierungen – der Zugang zu den Informationen erfolgt für den Nutzer stets ohne Kosten. Gleiches gilt auch für hochwertige Finanz- und Börseninformationen, wie sie beispielsweise die Deutsche Bank (http://www.deutsche-bank.de) oder der Discount-Broker Consors (http://www.consors.de) anbieten. Die kostenlosen Finanzinformationen stellen hier einen Zusatznutzen dar, die das Kerngeschäft des Anbieters lediglich ergänzen und ein Instrument zur Kundenbindung darstellen.

2.6.3 Prädestinierte Produkte für den Online-Vertrieb

Prädestiniert sind vor allem Produkte, die vorwiegend online vertrieben werden können sowie Produkte, deren Vertrieb über das Medium Internet für den Verbraucher einen großen Nutzen darstellt. Hierzu gehören vor allem digitale Informationsprodukte, die sich per Datenübertragung direkt zum Kunden ausliefern lassen. Die nachfolgende Tabelle zeigt typische Produktarten und –beispiele, die für den Online-Vertrieb prädestiniert sind:

Produktart Eignung für den Online-Vertrieb Beispiele

Software Sehr gut bei kleineren Programmumfängen Betriebssysteme, Applikationen, Tools, Spiele, Updates

Digitalisierte Bilder und Photos Gut bei kleineren Dateigrößen Standbilder, Graphiken

Audiodaten Gut bei kleineren Dateigrößen Soundsamples, O-Töne, Kurze Musikclips

Videodaten Gut, wenn die Dateien komprimiert und klein sind Kurze Videoclips, Visualisierungen, Interaktive Hilfen

Datenbankausgaben Sehr gut bei Texten Rechercheergebnisse, Kaufmännische Daten, Technische Daten

Volltexte Sehr gut Artikel, Wissenschaftliche Texte, Hypertext-Literatur

Lernprogramme Gut in Abhängigkeit von den enthaltenen multimedialen Elementen Produktschulung, Lehrgänge

Finanzdienstleistungen Sehr gut, wenn Sicherheitsmechanismen integriert Online-Transaktionen, Online-Kalkulationen

Versand von Nachrichten Sehr gut Kundeninformationen, Außendienststeuerung

Buchungsdaten Sehr gut Reisebuchungen, Ticketing

Tabelle 8: Informationsprodukte und deren Eignung für Online-Nutzung

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