Zeitarbeit: Vom Karrierekiller zum Karrieresprungbrett

Zeitarbeit gilt gemeinhin als Karrierekiller. Wer einmal in der Arbeitnehmerüberlassung gearbeitet hat, kann seine Ansprüche nicht mehr durchsetzen, heißt es. Doch trotz aller Kritik an der Umsetzung von Zeitarbeit haben Arbeitnehmer durchaus die Möglichkeit, sie für einen Karriereschub zu nutzen.

Zeitarbeit hat keinen guten Ruf. Von moderner Sklaverei und sozialen Ungerechtigkeiten ist da die Rede. Viele strukturelle Vorwürfe muss sich die Branche auch durchaus gefallen lassen. Allerdings, dem Einzelnen bleibt manchmal kaum eine andere Möglichkeit als die Wahl zwischen Zeitarbeit und Arbeitslosigkeit. Dann stellt sich die Frage, ob man sich durch die Beschäftigung bei der Arbeitnehmerüberlassung ins Karriere-Abseits stellt oder dadurch Engagement und Leistungswillen zeigt. Schadet man mit einer Anstellung bei einer Zeitarbeitsfirma dem eigenen kompetenten Image, das man mühsam aufgebaut hat? Oder kann man so eine Phase auch ganz bewusst als Chance begreifen und für sich nutzen? Denn ein Ziel eint fast alle HWGs (häufig wechselnde Gehaltsempfänger) – sie möchten zurück in ein festes Arbeitsverhältnis.

Zeitarbeit – ein paar Vorteile, zahlreiche Nachteile

Genau genommen spricht man heute nicht mehr von Zeitarbeit, sondern etwas vornehmer von Arbeitnehmerüberlassung. Laut einer Statistik der Agentur für Arbeit waren im Juni 2012 910.000 Arbeitnehmer in 17.400 Verleihbetrieben beschäftigt. Dem Prinzip nach funktioniert Leiharbeit wie ein Dreiecksverhältnis: Der Arbeitnehmer ist bei einem Betrieb angestellt. Doch für den arbeitet er gar nicht, denn der Betrieb verleiht ihn an eine andere Firma und kassiert dafür Gebühren. Bei einer Zeitarbeitsfirma ist man also im Grunde ganz regulär angestellt, zahlt in die Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung ein, bekommt Fortzahlung im Krankheitsfall und hat bezahlten Urlaub. Selbst gesetzlich garantierten Kündigungsschutz kann die Zeitarbeitsfirma ihren Angestellten nicht verwehren – auch wenn der kaum der Rede wert ist.

Die Kündigungsfristen bei Arbeitnehmerüberlassung liegen in aller Regel zwischen einem Tag und zwei Wochen. Bei diesen Bedingungen wird klar: Wenn drei von einem Angestelltenverhältnis profitieren wollen, zahlt einer drauf. Und das ist der Arbeitnehmer. Er erhält in vielen Fällen weniger Gehalt als die anderen Mitarbeiter beim Entleiher. Wenn es Engpässe gibt, geht der Zeitarbeiter als Erster. Das liegt in der Natur der Sache.

Der Klebeeffekt – Wahrheit oder Mythos?

Dennoch heuern viele bei Leihfirmen an – und das sind nicht nur gering Qualifizierte oder junge Leute, die zeitweise jobben wollen und Spaß daran haben, öfter den Arbeitgeber und die Umgebung zu wechseln. Mittlerweile akzeptieren auch viele hoch qualifizierte Arbeitnehmer einen Posten bei der Zeitarbeitsfirma, wie Ingenieure oder andere Akademiker. Sie hoffen auf den Klebeeffekt, also einen Einstieg in ein reguläres Arbeitsverhältnis über die Leihtätigkeit hinaus. Im Schnitt gelingt das 14 Prozent der Leiharbeiter. Bei Akademikern ist der Klebeeffekt allerdings ausgeprägter als beim Durchschnitt. Und so ist die Arbeitnehmerüberlassung oft eine Alternative zu frustrierenden Praktika.

Wohl auch deshalb stellt sich die Arbeitsagentur auf ihrer Homepage recht positiv zur Zeitarbeit:

Zeitarbeit bringt Ihnen viele Vorteile: Sie lernen dabei die unterschiedlichsten Tätigkeitsbereiche, Unternehmen und deren „Firmenkultur“ kennen. Zudem haben Sie die Möglichkeit, sowohl fachlich als auch regional mobil zu sein.

Wer sich also auf das Wagnis Leiharbeit einlassen möchte, kann diese Phase für sich nutzen. Hier nun vier konkrete Tipps, wie die Zeitarbeit zum Karrieresprungbrett wird:

Tipp 1: Strategisch kommunizieren

Ein zeitweises Engagement bei einer Leihfirma zeigt einem zukünftigen Arbeitgeber, dass Sie zupacken können und sich nicht zu schade sind, auch einmal Tätigkeiten zu übernehmen, die eigentlich unter Ihrer Qualifikation liegen. Kommunizieren Sie die Zeit als Leiharbeiter im Lebenslauf und Vorstellungsgespräch nicht als Schandfleck. Zeigen Sie, dass Sie lieber eine Zeitlang einen schlechten Job machen als gar keinen. Dabei sollten Sie mit offenen Karten spielen und die Tätigkeit weder aufbauschen noch herunterspielen. Schreiben Sie in Ihren Lebenslauf, bei wem Sie angestellt waren, an wen Sie ausgeliehen wurden und welchen Tätigkeiten Sie genau nachgegangen sind.

Tipp 2: Nur bei seriösen Zeitarbeitsfirmen anheuern

Über 17.000 Verleihbetriebe gibt es in Deutschland. Nicht alle bieten ihren Angestellten den respektvollen Umgang, den sie verdienen. Manche arbeiten sogar mit Knebelverträgen. Achten Sie genau darauf, bei wem Sie einen Vertrag unterschreiben – und lesen Sie diesen in jedem Fall gründlich durch! Eine seriöse Firma erkennen Sie leicht. Sie spielt mit offenen Karten. Das beginnt bereits beim Internetauftritt. Der sollte genaue Informationen zum Unternehmen enthalten. Ist hier mehr Schein als Sein geboten, ist die Firma mit Vorsicht zu genießen. Wenn Sie zum ersten Mal die Räumlichkeiten der Leihfirma betreten, sollten sie dort Aushänge mit einem Zertifikat für Qualitätsmanagement nach DIN ISO, Informationen zu Arbeits- und Gesundheitsbedingungen sowie einen Auszug aus dem Gleichstellungsgesetz vorfinden.

Außerdem haben Sie bei einem Besuch vor Ort die Möglichkeit, die Atmosphäre und den Umgangston auf sich wirken zu lassen. Spätestens beim Vortsellungsgespräch sollte sich eindeutig bemerkbar machen, ob Mitarbeiter in der Zeitarbeitsfirma freundlich und professionell betreut werden. Wenn sie ein schlechtes Gefühl haben, unterschreiben sie nichts. Ein weiterer Punkt auf Ihrer Checkliste ist die Transparenz: Kommuniziert der Leihbetrieb klar, für wen Sie wann und unter welchen Bedingungen arbeiten sollen? Bleiben die Mitarbeiter vage und ungenau, ist das ein schlechtes Zeichen.

Tipp 3: Weiterbildung mitnehmen

Gute Zeitarbeitsfirmen reagieren meist sehr direkt auf die aktuellen Anforderungen des Marktes. Deshalb schicken sie ihre Mitarbeiter oft auf Weiterbildungen und Schulungen. Das ist auch für den Einzelnen eine Chance. Nehmen Sie also alle Bildungsangebote mit, die Sie kriegen können. Fragen sie auch aktiv bei Ihrem Vermittler nach – das zeigt Engagement.

Tipp 4: Sich nicht mit allem Abfinden

Für Leiharbeiter gilt ein Mindestlohn von aktuell 7,89 Euro im Westen und 7,01 Euro im Osten. Geben sie sich nicht mit weniger zufrieden. Wenn Sie eine gute Qualifikation haben, dann fordern Sie ruhig auch mehr, schaden kann das nicht. In manchen Bereichen gibt es einen Tarifvertrag für Leiharbeiter. Den sollten Sie kennen. Und wenn es keinen Tarifvertrag gibt, gilt die Regel des equal pay. Demnach steht Leiharbeitern derselbe Lohn zu wie festangestellten Kollegen. Der Grundsatz lautet also: Kennen Sie Ihre Rechte und reklamieren Sie diese auch für sich. Notfalls steht Ihnen auch der Gang vors Arbeitsgericht frei.

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